VARIA_230 Generalstreik / Landesstreik (Grève générale) 1918, 1917-1920 (Dossier)

Archivplan-Kontext


Angaben zur Identifikation

Signatur:VARIA_230
Signatur Archivplan:VARIA_230
Titel:Generalstreik / Landesstreik (Grève générale) 1918
Entstehungszeitraum:1917 - 1920
Stufe:Dossier

Angaben zum Umfang

Archivalienart:Akte/Dokument
Laufmeter:0,20

Weitere Bemerkungen

Bemerkungen:Ehemalige Aktenplanpositionen: SBBRPBAU; B.VI.9 und B.VIII.8

Angaben zum Kontext

Aktenbildner-/Provenienzname:SBB Generaldirektion Personalabteilung, verschiedene Kreisdirektionen und weitere
Verwaltungsgeschichte:Von Armut betroffene Arbeiter auf der einen und Kriegsgewinne einfahrende Unternehmer mit Regierung und Militär auf der anderen Seite: Diese Parteien standen sich in einem ab 1917 immer schärfer werdenden sozialen Konflikt gegenüber. Am 10.11.1918 kam es während einer Protestdemonstration gar zu einem Toten. Die Lage eskalierte und das Oltener Aktionskomitee, ein Zusammenschluss der wichtigsten SP- und Gewerkschaftsfunktionäre, rief den Landesstreik aus. Die Eisenbahner spielten dabei eine wesentliche Rolle. Sie waren mit Emil Düby als Generalsekretär des Verbandes schweizerischer Eisenbahnangestellter im Oltener Aktionskomitee vertreten. Mit einem Streikaufruf wollte man die Eisenbahner zur Arbeitsniederlegung bewegen. Sie appellierten an die Solidarität mit den Arbeitern und riefen zum Protest gegen die Regierung auf. Auch verschiedene Punkte der allgemeinen Streikforderungen wie die Einführung des Achtstundentages (an sechs Wochentagen) wurden unterstützt. Unzufriedenheit bei der Eisenbahn herrschte auch wegen den hierarchischen Strukturen und den daraus resultierenden Unterschieden in Lohn und Stellung.
Schätzungen gehen schweizweit von 250'000 streikenden Arbeiterinnen und Arbeitern aus. Die Beteiligung der Eisenbahner variierte je nach Region und Tätigkeit stark. Während die Arbeiterverbände in der Deutschschweiz schnell von der Notwendigkeit des Streiks überzeugt waren, fiel die Beteiligung in der Romandie und dem Tessin tiefer aus. Im damaligen Kreis III mit Sitz in Zürich waren insgesamt 60% der Eisenbahner an mindestens einem Tag der Arbeit ferngeblieben. Während es in der allgemeinen Verwaltung nur 20% waren, streikten in der Werkstätte Zürich ganze 97%.
Die Streikenden organisierten sich lokal mit Platzorganisationen, welche die Einstellung des Bahn-betriebs und weitere Massnahmen kontrollierten. Überliefert sind auch kleinere Sabotageaktionen, wie z.B. die Beschädigung von Gleisanlagen. Vereinzelt wurden auch körperliche Angriffe auf arbeitende Eisenbahner gemeldet.
Die Einstellung des Bahnbetriebs war eine der wirkungsvollsten Streikmassnahmen, da davon Bevölkerung, Politik und Wirtschaft betroffen war. Der Historiker Bernard Degen schreibt dazu: «Den tiefsten Eindruck hinterliess die Beteiligung der Eisenbahner, die die Bewegung in sonst kaum berührte ländliche Gegenden trugen.» Der Gütertransport war eingeschränkt, Politiker kamen nicht rechtzeitig zu ihren Sessionen und Arbeitnehmer und Waren kamen nicht zu ihren Betrieben. Der Bundesrat war sich dieser Bedeutung bewusst und führte bei Streikausbruch umgehend den Kriegsbetrieb ein, was die Teilnahme am Streik zur Dienstverweigerung machte, die durch die Militärjustiz verfolgt wurde.
Nach dem Streik erliess der Bundesrat eine Amnestie. Davon ausgenommen waren aber alle, die eines zusätzlichen Vergehens wie Aufruhr, Agitation, missbräuchliche Benutzung der Bahndrähte, Sabotage und mehr verdächtigt wurden. Gegen mehr als 3500 Personen, die meisten davon Eisenbahner, wurden Verfahren eingeleitet. Auch wenn sich bei den Beschuldigten ein Freispruch abzeichnete, blieben diese oft mit Lohnausfall mehrere Monate vom Dienst suspendiert. 147 Personen wurden schliesslich strafrechtlich verurteilt, gegen zahlreiche weitere Eisenbahner wurden arbeitsrechtliche Massnahmen wie disziplinarische Verfügungen verhängt. Mit dem neuen Beamtengesetz von 1927 wurde dann ein Streikverbot eingeführt. Die grundsätzliche Frage, ob ein Beamter überhaupt Mitglied bei einer kommunistischen Vereinigung sein dürfe, wurde zu Beginn der 1930 Jahre mit einen klaren «Nein» entschieden. Auf Seiten Arbeiterorganisationen beschleunigten die im Landesstreik gemachten Erfahrungen den Zusammenschluss mehrere Kleinverbände zum Einheitsverband: 1919 wurde der SEV gegründet.

Quelle:
- SBB News, Landesstreik 1918: Die Rolle der Eisenbahner. URL: https://news.sbb.ch/artikel/83924/landesstreik-1918-die-rolle-der-eisenbahner, Zugriff: 30.03.2020
Archivierungsgeschichte:Die Unterlagen wurden am 29. August 1991 ans Bundesarchiv abgliefert und kamen nach der Gründung der Stiftung zu SBB Historic. Ein zweiter Teil wurde 2013 an SBB Historic abgeliefert.

Angaben zur Benutzung

Erscheinungsform:analog
Sprache:Deutsch / Französisch
 

Verwandte Verzeichnungseinheiten

Verwandte Verzeichnungseinheiten:siehe auch:
GD_BA_SBB08_010_02 Schweizerischer Landesstreik 12./13.11.1918, 1918 (Dossier)

siehe auch:
GD_BA_SBB08_010_03 Schweizerischer Landesstreik 1918, 1918 (Dossier)

siehe auch:
GD_BA_SBB08_010_04 Schweizerischer Landesstreik 1918; Einführung eines beschränkten Betriebes bei Streik, 1918-1919 (Dossier)

siehe auch:
GD_BA_SBB08_010_05 Schweizerischer Landesstreik; Massnahmen zur Aufrechterhaltung des Bahnbetriebes, 1918-1921 (Dossier)

siehe auch:
GD_BA_SBB08_011_05 Schweizerischer Landesstreik 1918; Grossrichter der 3. Division, Bern. Militarisierung der Transport- und Verkehrsanstalten, 1919 (Dossier)

siehe auch:
GD_BA_SBB08_011_06 Schweizerischer Landesstreik am 12 -14.11.1918, 1919 (Dossier)

siehe auch:
GD_BA_SBB08_011_07 Schweizerischer Landesstreik; Vorkommnisse im Betrieb während dem Streik, 1918-1919 (Dossier)

siehe auch:
KDI_REG_2002/007_074_01 Grève générale [Landesstreik / Generalstreik], 1918-1922 (Dossier)

siehe auch:
KDIII_REG_2001/007_085_02 Landesstreik bzw. Generalstreik Schweiz 1918; Verzeichnis des Personals, das sich am Streik beteiligt hat, militärisches Truppenaufgebot, Kriegsbetrieb bei den schweizerischen Bahnen, Akten der Militärjustiz, schwere Dienstvergehen, 1918-1920 (Dossier)

siehe auch:
KDIII_REG_2001/007_086_01 Landesstreik bzw. Generalstreik Schweiz 1918; Eisenbahnarbeiterverein Zürich, Kriegsbetrieb bei den schweizerischen Eisenbahnen, Kosten für Aushilfen und Verpflegung, Gratifikationen für besondere Leistungen; Massnahmen gegenüber dem Personal, welches kommunistische Propa

siehe auch:
KDIII_REG_2001/007_087_01 Landesstreik bzw. Generalstreik Schweiz 1918; Disziplinarverfahren, Kriegsbetrieb, Prämien für besondere Leistungen, Streikmassnahmen, Berichte, 1918-1920 (Dossier)

siehe auch:
KDII_REG_2002/016_354 Streik 1918, 1918 (Dossier)

siehe auch:
KDII_REG_2002/016_355 Streik 1918, 1918 (Dossier)

siehe auch:
KDII_REG_2002/016_356 Streik 1918, 1918 (Dossier)

siehe auch:
KDII_REG_2002/016_357 Kriegsbetrieb, Streikunruhen in der Schweiz, 1918-1920 (Dossier)
 

Benutzung

Schutzfristende:31.12.1970
Erforderliche Bewilligung:Keine
Physische Benützbarkeit:Uneingeschränkt
Zugänglichkeit:Öffentlich
 

URL für diese Verz.-Einheit

URL:https://www.sbbarchiv.ch/detail.aspx?ID=602217
 
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